Die Gründerzeit

In Ruhpolding wurde der erste Trachtenverein im Jahre 1893 durch den Forstmeister Bartolomae gegründet. Man nannte diesen Verein „Die Miesenbacher“ nach der alten Bezeichnung für die Weiße Traun. Das Vereinsleben muss sich vor allem in Mayergschwendt und im Ortskern abgespielt haben. Erst 1883 waren die drei selbständigen Gemeinden Ruhpolding, Zell und Vachenau zusammengelegt worden. Diese neue politische Gemeinde war noch nicht zusammengewachsen und es gab vor allem in Zell noch ein ausgeprägtes Streben nach Eigenständigkeit. Nach mündlicher Überlieferung einiger Gründungsmitglieder waren die Gegensätze zwischen den „Dorferern“ – wie man die Bewohner des Ortskerns und des Geschäftsviertels nannte und der bäuerlichen Bevölkerung von Zell und Vachenau immer noch sehr groß. Der Broibauer Rupert Reischl (1885 – 1976) berichtete noch mit 90 Jahren, dass die Burschen vom Zellerboden bei den Tanzveranstaltungen nicht so gerne gesehen waren und es auch häufig zu Raufereien kam. So taten sie sich zusammen und gründeten am 22.11. 1903 einfach einen eigenen Verein in Zell, wo es ja von alters her eine eigene Kirche und ein Wirtshaus gab, auf das der Rauschberg herabschaute, nach dem nun dieser neue Verein benannt wurde.

 

   Zellerwirt zur Zeit der Vereinsgründung

Gründungsvorstand war der Triftschustersohn und damalige Bürgermeister Mathias Huber. Die Vorstände wechselten aber in der Folgezeit recht häufig und Franz Embacher, der im Kassenbuch als erstes Gründungsmitglied eingetragen ist, erzählte immer wieder es sei ihnen vor allem um die Geselligkeit gegangen und sie hätten immer alles miteinander ausgemacht. Die Mitgliederzahl stieg innerhalb der ersten Jahre schnell auf über einhundert an, obwohl eine Aufnahmegebühr erhoben wurde.Die Plattlerproben und Vereinskranzl beim Zellerwirt waren immer recht lustig und brachten auch bald etwas Geld in die Vereinskasse. Zu den auswärtigen Festlichkeiten sind unsere Gründungsmitglieder oft mehrere Stunden zu Fuß gegangen oder später mit dem Radl gefahren.Neben den eigenen Aktivitäten trug auch die großzügige Förderung durch die Familie Bredt dazu bei, dass sich der junge Verein so gut entwickeln konnte. Bereits im Jahr1908 stiftete diese Malerfamilie für die „Zellerer“ eine Fahne, wodurch sie nun den Miesenbachern etwas voraus hatten. Es war offensichtlich nicht ganz einfach den kirchlichen Segen für diese Vereinsfahne zu bekommen. Einer mündlichen Überlieferung von Matthias Staller an Fritz Kecht zufolge wollte der damalige Pfarrer von Ruhpolding die Fahne nicht weihen. Daraufhin ging der Vorstand nach Maria Eck und bat dort um die Weihe. Der Guardian des Klosters beruhigte ihn aber und konnte den Ortspfarrer überzeugen, dass es vernünftiger sei dem Ansinnen der Trachtler nachzukommen. So konnte die Fahnenweihe am 12.7. 1908 stattfinden.

Fahnenweihe 1908

Fahnenweihe am 12.7.1908

Es sei hier angemerkt, dass die Vorbehalte der Geistlichen gegenüber dieser neuen Bewegung weit verbreitet waren und so kam es öfter nur zu feierlichen Fahnenenthüllungen statt der gewünschten kirchlichen Weihe. Es war das erste große Fest unseres Vereins, bei dem man 100 Mark für die Festmusik zahlte, und es wurden nicht weniger als 49 Pfund Pulver verschossen. Fünf Jahre später richteten die „Zellerer“ bereits das 23.Gaufest des Gauverbandes I aus.

Mit der Mitgliedschaft war automatisch eine Art Krankenkasse verbunden. Hatte man den Jahresbeitrag bezahlt so bestand ein Anrecht auf „Krankenunterstützung“. Dieser soziale Aspekt des Vereins spielte nach dem 1. Weltkrieg eine noch größere Rolle, denn die Hilfe wurde ausgedehnt und jeder Kriegsinvalide bekam eine Unterstützung von 40 Mark. Schwierigkeiten mit den Behörden haben im Laufe der Zeit zur Abschaffung dieser Unterstützungen geführt.